· 

Nina George "Die Schönheit der Nacht" 5/5

 

 

Knaur Verlag / 1.Auflage 2018

 

315 Seiten

 

4 Sorten Salz. Das Salz des Meeres. Das Salz der Tränen. Das Salz des Schweißes. Das Salz des „Ursprungs“ der Welt, wie Gustave Courbet die dunkle Blüte der Frau nannte.

 

Es geht in diesem Buch um 2 Frauen. Die „Werdende“ namens Julie, eine junge Erwachsene die ihren Weg und ihre Leidenschaft für das Leben finden möchte. Auf der anderen Seite begleiten wir Claire, Madame le Professeur, eine reife Frau, die alles erreicht hat in ihrem Leben. Dennoch fühlt sie sich nicht gesehen. Nicht verstanden. Sie wirkt auf andere kühl und unnahbar. Versteinert und in sich zusammengerollt wie ein Ammonit. Sie ist Ehefrau und Mutter, die für den

Lebensunterhalt sorgt, da ihr Mann Gilles „nur“ Künstler ist. Sie haben sich mit 20 kennengelernt, während des Studiums und sind nach 2 Jahren Eltern geworden. Claire, wie auch die meisten Frauen nach einer Geburt, muss viel zurückstecken und lässt sich für die rechte Ordnung treiben. Es gibt keine Entscheidungsfreiheiten mehr, keine Liebhaber an die man sich nicht binden muss. Sie fügt sich in ihr Dasein all die Jahre und akzeptiert auch Seitensprünge ihres Mannes, wie die Tatsache keine Freunde zu haben, da sie sich niemandem öffnet, um nicht verletzt zu werden.

 

Dies hängt mit ihrer harten Kindheit zusammen. Als Jüngste von 3 Kindern muss sie mit 11 Jahren viele tragende Entscheidungen treffen, da ihre Maman psychisch so labil ist, das sie in eine Klinik verwiesen wird. Sie wollte in dieser Zeit, wie auch während der schweren Zeit mit der Mutter, meist wie ein Ammonit sein, dieses Gebiet der Paleontologie interessierte sie schon immer. Zeitlos, ruhig, verlässlich, ein Nautilus der sich um sein Innerstes schlägt, denn ihre Mutter

war dazu nicht fähig und ihre beiden Geschwister mussten ja beschützt werden, dachte Claire. Sie war immer die mit Logik und Scharfsinn. Claire schreibt damals sämtliche Verwandte an ( alle 3 Kinder haben einen separaten biologischen

Vater) und eine Tante aus der fernen Bretagne nimmt sie auf. Sie leben dort behütet am Meer und gehen ihre Wege. Claire geht nach Oxford. Sie bekommt das Stipendium. Verhaltensforschung.

 

Die heutige Claire geht fremd. Nicht um ihrem Mann eins auszuwischen, sondern um Frau sein zu dürfen. Sie möchte gesehen werden. Man soll keine voreiligen Entschlüsse fassen können. Keine Vergangenheit. Keine Namen. Sie möchte sie selbst sein. Lieben, Leiden, Leben und Leidenschaft spüren. Begehrt werden, keine Mutter oder Koordinatorin sein. Eine Regel. Nie mit demselben Mann.

 

Nach einer Liaison verlässt sie zügig das Hotelzimmer und begegnet einem Zimmermädchen.

Sie trifft Julie. Die Zukünftige ihres Sohnes Nicolas, wie sich später herausstellt. Claire muss wegen ihrem Job verreisen. Aus dem Paris, in die Bretagne. Zu ihren Wurzeln. Ihr Mann und auch Nicolas möchten Julie mitnehmen. Nach dem Vorstellungsessen für die „Schwiegertochter“,willigt Claire ein. Sie weiß, dass Julie sie erkannt hat. Die Frau die sie vor kurzem in einem Hotel getroffen und hinter Tür Nr 32 gehört hat. Doch Julie schweigt. Sie versucht Claire zu verstehen., warum sie so handelt, obwohl sie doch alles hat. Sie fahren zu viert in die Bretagne.

 

Julie fühlt sich schon nach kurzer Zeit zu Claire hingezogen. Tag um Tag ist sie mehr von ihr fasziniert. Claire ist für Julie vollkommen. Eine Felsin. Der Beginn einer Veränderung. Doch wohin führen sie Gefühle?

 

Claire kann Julie nicht begreifen, nicht erfassen. Was will sie? An wen erinnert sie Claire? Warum wird Claire ohne Grund wütend? Julie ist ein Riss in Claires Gefüge. Sie hadert mit ihrem Leben. Mit ihren Entscheidungen. Wer ist sie wirklich? Wieviel Jahre fließen davon bis man sein wahres Ich gefunden hat? Claire, liebesbedürftig, müde, wund vom Leben selbst, erstarrt, abgekühlt, Frau „Zimmerlautstärke“. Sie fragt sich ob sie immer nur leisten muss um zu dürfen. Claire fasst einen Entschluss. Sie will alles, alles fühlen, alles wollen, ohne Gegenwehr um sich selbst und sein Leben somit wegwerfen. Sie will sich endlich finden!

 

 

Dieser Roman von Nina George hat mich unfassbar berührt. Es ist ein Buch über das man am liebsten mit jedem darüber sprechen möchte. Immer ein aktuelles Thema. Wir sind Frau, Ehefrau, Mutter und Geliebte zugleich. Wer wollen wir tatsächlich sein und zu was haben wir den Mut? Dieses Buch erzählt uns mit so viel Gefühl und Hingabe vom

Werden und vom Sein. Wieviel Frauen können bzw. wollen wir sein? Wir suchen doch alle nach unserem wahren Ich. Nach unserem Weg, unseren verborgenen Wünschen und Geheimnissen. Leidenschaft und Begehren spielt hier eine zentrale

Rolle. Nina George beschreibt zutiefst und intensiv die Gefühle der beiden Protagonistinnen. Ab und an wirken die Orts- oder Wetterbeschreibungen etwas überzogen, dennoch fließt man mit Georges poetischen Schreibstil nur so über die Seiten. Diese Sehnsucht und der unbändige Wille etwas zu verändern, etwas zu wagen, nehmen

den Leser ungefragt mit in Claires und Julies Welt.

 

Dieses sinnliche und sehr poetische Buch macht durchaus nachdenklich. Ist man die, die man sein möchte? Wer kann das von euch mit ja beantworten? 😉

 

Lest das Buch bitte!! Highlight dieses Jahr!

 

Danke fürs Lesen meiner Empfehlung.

 

Eure Verena

Kommentar schreiben

Kommentare: 0